Bild: Rolf Oeser

Dankeskarten, überall Dankeskarten. Die gesamte, recht große Pinnwand hinter Christoph Wielands Schreibtisch ist voll davon, fast schon schwindelerregend, wie die kleinen Rechtecke die Wand wölben. So sieht also überbordender Dank aus.

Wieland ist allerdings nur verhalten begeistert. Natürlich freue er sich über jede Karte, sagt er. Das sporne ihn auch an. „Das Feedback ist enorm.“ Aber manchmal übertreiben es die älteren Damen und Herren ein wenig, die von der FR-Altenhilfe zu Weihnachten oder Ostern einen Zuschuss erhalten.

Wenn sie anfangen, Wein oder Süßigkeiten zu schicken, protestiert der 35-Jährige. „Sie sollen das Geld doch für sich ausgeben“, ruft er den Dankbaren händeringend zu. „Machen Sie damit etwas, das Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.“

Älteren Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, dieses Ziel verfolgt die FR-Altenhilfe seit 1949. Damals hatte Verleger Karl Gerold die Leserschaft angespornt, für Bedürftige zu spenden: „Wir wollen uns nicht an die Weihnachtstische setzen, ohne anderen eine kleine Freude bereitet zu haben.“

Und die Leserinnen und Leser nehmen sich die Worte nach wie vor zu Herzen. Seit 1978 wirkt die Altenhilfe als gemeinnütziger Verein. Die Spendenbereitschaft ist ungebrochen, auch heute, aller Pandemie, Lieferengpässen oder Preissteigerungen zum Trotz.

Das Rekordergebnis des Vorjahrs wird der Verein diesmal wohl nicht erreichen. Dazu sind die 1,24 Millionen Euro einfach zu sagenhaft gewesen. Die Millionenmarke haben die Spenderinnen und Spender aber erneut geknackt, sagt Wieland. Stand 23. Dezember sind bereits 1.024.892 Euro und acht Cent zusammengekommen, 5618 einzelne Spenden sind eingegangen. Das meiste von privat, viel Geld geben auch Institutionen wie die Sparkasse oder die Spardabank.

Ein bisschen ungläubig wirkt Wieland, als er die Zahlen aus dem Rechner sucht. Viele Menschen hätten bereits im Sommer sehr viel Geld gespendet für die Betroffenen der Ahrtal-Katastrophe, sagt er. Deshalb hatte er befürchtet, dass weniger für die Altenhilfe übrigbleiben werde. Aber weit gefehlt. „Täglich gehen mindestens 10.000 Euro hier ein“, sagt er. Manchmal sind es gar 30.000 Euro.

Zweimal im Jahr, zu Ostern und zu Weihnachten, schüttet die FR-Altenhilfe Geld an die Klientinnen und Klienten in ihrer Datenbank aus. Zurzeit sind darin 1100 Haushalte gelistet, die alle mit der kargen staatlichen Grundsicherung auskommen müssen. In 100 Fällen sind es Paare, die anderen alleinstehend.

390.000 Euro sind am 8. Dezember geflossen, Paare erhalten 500 Euro, Alleinstehende 350. Dazu gibt die Altenhilfe noch Taschengelder für Menschen in Pflegeheimen. Die sind zwar eigentlich versorgt, womöglich gibt es aber auch dort etwas, das nötig wäre, aber nicht von der Kasse übernommen wird.

Was dann noch im Budget ist, fließt an Projekte oder Zuschüsse für Anschaffungen. Zu Beginn der Pandemie etwa, als viele Menschen in die Isolation verschwinden mussten, um sich zu schützen, hat die Altenhilfe in Technik investiert. Fernsehen oder DVD-Spieler, um etwas Unterhaltung zu bringen. Oder Kommunikationsmittel etwa fürs Internet, verbunden mit Seminaren, in denen Senior:innen die doch zum Teil fremde Technik kennenlernen und erfahren, wie sie ihre Enkel auf den Bildschirm bringen können.

Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, ist ebenfalls ein Vorsatz der FR-Altenhilfe. „Die Menschen aus ihrer Isolation herausholen“, sagt Wieland. Kontakte herstellen, Austausch ermöglichen.

Umso trauriger ist er, dass die Veranstaltungen der Altenhilfe wegen der Pandemie ausfallen mussten. Die Schifffahrt, die Weihnachtsfeier, das Konzert mit den FR-Allstars. Alles gesellige Momente, auf die viele Seniorinnen und Senioren regelrecht hinfiebern, die aber auch Kontakte hergestellt haben.

Wieland gerät richtig ins Schwärmen, wenn er erzählt, wie sonst die Krätscher, die Mitglieder des Eckenheimer Karnevalvereins, tüchtig mit anpacken, Rollatoren auf der Schiffsreise verstauen, Programm machen, Schmalzbrote schmieren. Wie Andreas Zimmer, Vorstand des Frankfurter Bürgerinstituts, hemdsärmelig den Einlass macht.

Viel positive Energie, die nicht fließen darf. Dafür geht es im kleinen Büro an der Frankenallee hoch her. Oktober bis Weihnachten ist die Hauptspendezeit. Das Telefon läutet, es klopft an der Tür, dann ploppen mit leisem Bing ein paar E-Mails auf, was wiederum das andere Telefon motiviert. Wieland lächelt entschuldigend. Er muss da mal rangehen.

Seit drei Jahren ist er nun Teil des Teams. Gerade hat sich die langjährige Mitstreiterin Susanne Richter-Madison in den Ruhestand verabschiedet, nun verbleiben Wieland und FR-Urgestein Ruth Klesel. Sie war 30 Jahre lang Schriftsetzerin und Ausbilderin im Haus.

Wieland sollte zunächst nur aushelfen, eine Zeitarbeitsfirma hatte ihn vermittelt. Die Integration des Kaufmanns für Dialogmarketing verlief schnell. „Das war das erste Mal in meinem Berufsleben, dass ich gedacht habe, den Job könnte ich bis ins Alter machen“, sagt er.

So lässt ihn auch der Weihnachtsstress kalt. „Wenn hier viel passiert, passiert viel Gutes“, fasst er zusammen. Und wird dann nachdenklich: Wenn er morgens das Büro betrete, denke er oft, er habe den besten Job im Haus. „Ich bekomme Mittel in die Hand, um anderen zu helfen.“

Wieder lächelt er verlegen. „Das klingt jetzt vielleicht zu hochtrabend“, sagt er. „Aber es fühlt sich eben so an.“ George Grodensky