Bild: Peter Jülich

Was Roger D. im Rückblick als „unstetes Leben“ bezeichnet, war zugleich voller Eindrücke, Bilder, Erlebnisse. Eine Vielzahl an Arbeitsstationen wechselten sich mit mannigfaltigen Auslandsaufenthalten ab, Bodenständigkeit wurde flankiert von Ruhelosigkeit.

Dass der heute 73-jährige und aus Dreieichenhain stammende Mann seit vier Jahrzehnten in einem Frankfurter Mietshaus auf knapp 60 Quadratmetern wohnen kann, ist eine feste Konstante in seinem zuweilen sprunghaften Dasein.

Die Rente ist mit rund 800 Euro knapp bemessen, der Mietzins wird vom Sozialamt überwiesen. Ein Kredit muss mit monatlichen 194 Euro abbezahlt werden. „Mir bleiben etwa 200 Euro für vier Wochen“, sagt Roger D., der die Tafel nutzt und sein Frühstück regelmäßig im Franziskus-Treff einnimmt.

Trotz rheumatisch bedingter Schmerzen und anhaltender Erschöpfungszustände ist er im Stadtgebiet seiner Wahlheimat Frankfurt ständig unterwegs.
Der kommunale Kulturpass ist ihm ein Lebensquell: „Konzerte und Ausstellungen, jederzeit und alles!“ Seit Jahren habe er keine Kunstpräsentation versäumt, genieße die komplette musikalische Bandbreite. Ein Kulturmensch, der auch innerhalb der innenstadtnahen vier Wände sein Pensum pflegt und sich als „Allesleser“ charakterisiert: „Von Romanen zu Reiseberichten, von Musikerbiografien zu Räubergeschichten.“

Nach einer Lehre als Großhandelskaufmann schließt sich ein Berufsdasein an, das viele Arbeitgeber und Fehlzeiten beinhaltet. Bei einem Grossisten für Konsumgüter verdient er ebenso Geld wie im Pelzhandel oder im Hamburger Hafen, als Büroleiter oder Lagerist. Oftmals sind es Druckereien, in denen der „Verdienst gut“ ist und „Überstunden an der Tagesordnung“ sind. „Ungeschnittene 100-DM-Scheine“ hat Roger D. in der Bundesdruckerei ständig vor Augen – „ein Gewöhnungseffekt“.

Erspartes ermöglicht das Reisen, eine Globetrotter-Existenz. Länder und Kontinente reihen sich in bunter Folge. Einmal will er mit Freunden einen Hotelbetrieb in Afrika aufziehen, investiert 10 000 Mark – muss dann aber diesen Traum im „Revolutionswirrwarr“ wieder begraben. Bereits mit 17 Jahren hat er geheiratet, ist alsbald wieder geschieden, ehelicht in der Folge zuerst eine Dänin, dann eine Frau aus Gambia.

Dies alles ist mehr als drei Jahrzehnte her, der Sohn ist bereits erwachsen. Die Kontakte bleiben rar: „Mit Ex-Frau und Sohn würde ich mich gerne öfters treffen.“

Mittlerweile erteilt der 73-Jährige ehrenamtlich Sprachunterricht bei der Frankfurter Lebenshilfe. Durch das Bahnhofsviertel führt sein Weg nur noch selten: „Ich bin früher nachts durch Bombay gelaufen – was weniger gefährlich war.“

Von der Altenhilfe wird er seit fünf Jahren unterstützt. Voller Dankbarkeit nennt Roger D. seine zuletzt damit getätigten, außergewöhnlichen Anschaffungen: „Neue Jeans, neue Pullover.“ Olaf Velte