Bild: Rolf Oeser

Die Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung treibt Gitta C. derzeit um. Die Heizung in ihrer Anderthalb-Zimmer-Wohnung ist noch nicht hochgefahren, warme Kleidung und dicke Decken helfen über den Tag.

„Um Strom zu sparen, lese ich abends bei Kerzenlicht“, erzählt die in einem Kelkheimer Seniorenhaus lebende Frau. Die 870-Euro-Rente wird komplettiert durch das vom Sozialamt gestattete Wohngeld. Zwischen 350 und 400 Euro stehen jeden Monat für das Notwendigste zur Verfügung – „für Spezielles bleibt da kein Spielraum“.

Die 72-Jährige, vor einigen Jahren an Diabetes erkrankt, tätigt ihre Einkäufe im Discounter, bevorzugt Sonderangebote und günstige Eigenmarken. „Dabei erledige ich alles zu Fuß, weil mir die Busfahrten zu teuer sind.“ Dankbar, sich noch selbst versorgen zu können, verweist Gitta C. auf ihr Können in Sachen Handarbeit, Kochen, Frisieren. „Dennoch“, so die gelernte Friseurin, „ist die Altersarmut wie ein zweites Leben“.

Ohne Wehleidigkeit habe sie eine Krebsdiagnose mit anschließender Behandlung durchgestanden, sich durchgebissen, um fit zu bleiben. Auch der Zwist mit ihren zwei Kindern brachte die Kelkheimerin nicht ins Schlingern – der Kontakt zur Tochter ist seit langem erloschen, dem „jähzornigen“ Sohn bleibt die Wohnungstür verschlossen. „Mir geht es nun besser.“

In Königstein ist Gitta C. aufgewachsen. Ihren Vater, ein US-Besatzungssoldat, hat sie nie kennengelernt, die Mutter wartet zuerst vergeblich auf die Rückkehr des Mannes, geht schließlich eine neue Verbindung ein. Im Haushalt des Stiefvaters sind Schläge an der Tagesordnung: „Ein schlimmes Zuhause.“

Die junge Frau macht eine Ausbildung in einem Frisiersalon, muss jeden Pfennig des Lohns abliefern und will „so schnell wie möglich weg“. „Ich habe dann den Erstbesten geheiratet und zwei Kinder bekommen.“

Liebesglück stellt sich nicht ein. Die erste Ehe ist nach 13 Jahren am Ende, die zweite nach 14. Beide Male stehen die Verbindungen im Zeichen der Absicherung, nicht der Zuneigung. Gitta C. zieht nach Kelkheim, wohnt alleine und arbeitet bis zum Ruhestand als Fachverkäuferin in einer Bäckerei.

Heute ist die Altenhilfe unverzichtbar: „Ohne diese Unterstützung wüsste ich nicht, wie ich über die Runden kommen sollte!“ Ihren Vorrat an Grundnahrungsmitteln – „in besserer Qualität“ – könne sie dann endlich wieder auffüllen, sich versorgen mit „richtigen Winterschuhen“, mit Schal, Mütze, Steppmantel.

Sie ist zudem dankbar, eine „gute Freundin“ in der Nachbarschaft zu haben, mit der Spaziergänge unternommen werden. Kreuzworträtsel und Nachrichtensendungen füllen die Abende aus. „Politisch bin ich auf dem Laufenden.“ Und manchmal laufen die Hits der 1980er und 1990er, erklingt der Disco-Pop der Bee Gees, werden Erinnerungen an durchtanzte Stunden wach.

Jammern verbietet sich die 72-Jährige: „Ich bin froh, dass es so ist, wie es jetzt ist.“ Olaf Velte