Ulrike Söffing ist die Tochter des Gründungspaares der Carls-Stiftung mit Sitz in Königstein im Taunus. Seit 2019 steht sie der Stiftung vor. (Bild: privat)

Die Carls Stiftung besteht seit 25 Jahren. Erinnern Sie sich noch an den Gründungsmoment?
Natürlich, das war ein sehr spannender Moment. Wir haben uns damals in ein Abenteuer gestürzt, bei dem wir nicht wussten, was uns erwartet. Wir mussten sehr schnell unglaublich viel lernen. Aber meine Mutter und ich waren uns sicher, dass es das Beste ist, was wir mit dem Erlös aus dem Verkauf unseres Unternehmens erreichen konnten.

Was war ihre Motivation für die Stiftung?
Meine Eltern waren sehr sozial eingestellt. Wir Kinder haben das von klein auf miterlebt und anerzogen bekommen. Meine Eltern haben etwa früh für die Altenhilfe der FR gespendet. Sie haben sehr bewusst wahrgenommen, dass um sie herum Hilfe benötigt wird und vieles im Argen liegt. Als das Unternehmen meiner Eltern dann verkauft wurde, war mir klar, dass ich mit der Stiftung das weiterführen kann, was meine Eltern im Kleinen schon immer gepflegt haben.

Erinnern Sie sich noch an ihr erstes Projekt?
Die Frühchenstation im Bürgerhospital war ein Herzensprojekt meiner Mutter. Sie war selbst ein paar Monate zu früh zur Welt gekommen. Und so begeisterte sie sich sehr für diese Station. Nach der Fertigstellung war sie mindestens einmal im Jahr dort und hat „ihre Frühchen“ besucht und hat immer intensiven Kontakt gehalten. Parallel dazu haben wir zu Beginn im Clementinen-Krankenhaus die Dialysestation für Kinder gefördert.

Die Carls Stiftung hat sich im Laufe der 25 Jahre weiterentwickelt. Aus den Frühchen sind Kinder und Jugendliche geworden. Wie sehen Sie die Entwicklung der Stiftung?
Wir sind zusammen mit den unterstützten Kindern groß geworden. Das sieht man gut an unserem Bärenstark-Projekt, bei dem wir seit 2008 Geschwister von behinderten Kindern fördern. Diese Kleinen sind irgendwann mit zwölf, 13 Jahren aus dem Förderalter herausgewachsen. Die Jugendlichen haben uns danach bekniet, dass es weitergeht. Wir haben daraufhin eine Freizeit für sie eingerichtet. Seit drei Jahren betreuen wir nun auch Jugendliche von 13 bis 17 Jahren. In diesem Jahr waren sie etwa zwei Wochen in der Nähe von Berlin und durften den Reichstag und ein Musical besuchen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Kinder und Jugendlichen aus, die Sie bei „Bärenstark“ fördern?
Meine Mutter hat 2007 die Sendung „37 Grad“ im ZDF gesehen. Dort gab es einen Bericht über ein gesundes Kind, das eigentlich immer im Schatten seines behinderten Geschwisterkindes steht, auf das selbstverständlich viel mehr Rücksicht genommen werden muss. Dadurch können sich Mütter und Väter nicht so sehr um die anderen kümmern. Das hat meine Mutter tief beeindruckt, und so kam sie mit einer Idee in die nächste Vorstandssitzung. Das war der Anstoß für „Bärenstark“. Es dürfen sich seitdem Kinder oder deren Eltern bei uns bewerben, in deren Haushalt ein behindertes Geschwisterkind lebt. Und wir nehmen dabei viel Rücksicht auf die besondere Situation dieser Familien. Wir wollen diese Kinder „bärenstark“ machen. Wir merken aber, dass es auch der Austausch untereinander ist, dass es die gemeinsame Gruppe der Kinder mit jeweils gleichen Erfahrungen ist, die sehr zur Stärkung beiträgt.

Die Carls Stiftung unterstützt seit langem die Alten- und Weihnachtshilfe.
Mein Vater wurde 1915 geboren und hat in dieser Generation einiges erlebt. Er hat sich um seine eigenen Eltern und seine Schwiegereltern intensiv gekümmert. Er hat uns in die Wiege gelegt, Respekt vor älteren Menschen zu haben und großzügig zu sein, wenn Hilfe nötig ist. Deswegen hat er auch schon früh die Altenhilfe gefördert.

Seit vorigem Jahr engagieren Sie sich noch intensiver.
In der Pandemie dachten wir, dass unsere bisherige Unterstützung nicht mehr ausreicht. Wegen Corona musste die Bootsfahrt der Altenhilfe ausfallen, die Weihnachtsfeier konnte nicht durchgeführt werden. Ich meinte dann zu Hans-Dieter Klein, dem langjährigen Vorsitzenden: „Sie wollen mir nicht sagen, die alten Menschen bekommen in diesem Jahr nichts? Das geht nicht!“ So kam uns die Idee mit den Einkaufsgutscheinen.

Wir haben über tausend Haushalte damit beschenkt. Für viele Menschen klingen 25 Euro nicht enorm. Doch wenn wir uns die Reaktionen anschauen, dann war die Freude riesengroß. In diesem Jahr kommt nun noch der Krieg in der Ukraine hinzu, weshalb Sie schon im Sommer noch einmal Gutscheine im Wert von 27.500 Euro gespendet haben.
Wir spüren es ja überall. Bei vielen Menschen klemmt es gerade. Wenn man dann auch nicht mehr so beweglich ist, nicht mehr so leicht vor die Tür kann, nicht mehr so einfach am Leben teilnehmen kann, dann ist die Hilfe noch wichtiger. Ein 25-Euro-Einkaufsgutschein ist deswegen nicht riesig, aber hoffentlich führt er dazu, dass sich 1100 Menschen doch etwas mehr leisten können und ein schönes Weihnachtsfest begehen können.

Interview: Thomas Kaspar

Seit 1997 unterstützt die gemeinnützige Carls-Stiftung in Königstein im Taunus in den Bereichen Gesundheit, Erziehung, Bildung, Wissenschaft und kulturelle Einrichtungen. Die Stiftungsgründer, das Ehepaar Otto Wilhelm und Ursula Carls, brachten den Erlös des Verkaufs der Tipp-Ex-Unternehmensgruppe in die Stiftung ein.

2019 feierte die Altenhilfe der FR ihr 70. Jubiläum, 40 Jahre lang hatte die Familie die FR dabei schon unterstützt.

Einen 25-Euro-Gutschein von Rewe erhalten 1100 von der FR-Altenhilfe geförderte Haushalte zusätzlich dank der Spende der Carls-Stiftung.