Bild: Michael Schick

„Der Fuchs wechselt das Fell, aber nicht den Verstand.“ Es ist ein altes kroatisches Sprichwort, das Flora W. aus ihrer Heimat mitgebracht hat.

Es ploppt im Zusammenhang mit Männern in ihrem Leben immer wieder auf. Da ist der Vater, der Trinker war, der erste Fuchs ohne Verstand im Rückblick. Der erste Mann in ihrem Leben nicht besser, der sie in jungen Jahren schwängerte.

Sie war 20, als die Tochter kam und die Scheidung nahte. Das konnten sie in den 60er Jahren gut klären, es war noch in der kroatischen Heimat Osiek.

Osiek hatte der jungen Mutter nichts zu bieten, der Bruder „holte sie nach Deutschland“. Es war die Zeit der ersten „Gastarbeiter“. Das Kind blieb bei der Oma, Flora W. landete in Pforzheim.

Die erhoffte Arbeitsstelle in einer Küche war schon belegt, „Deutsch konnte ich nicht, keine Wohnung, keine Arbeit.“ Da ist sie bald zurück nach Osiek zur Mutter. Aber auch da wurde das Leben nicht besser, wieder mit dem Bruder der zweite Versuch für einen Neuanfang, diesmal bei Stuttgart.

Der Bruder arbeitet in einer städtischen Werkstatt, kann längst Deutsch, hat Fuß gefasst. Sie hat das kleine Kind dabei, in einer Wäscherei hat sie bis Mitternacht gearbeitet, zu sechst haben sie in einer Gemeinschaftsunterkunft gewohnt, ein „chaotisches Leben“, sagt Flora W. auch zu dieser Phase.

Und es wird auch in Frankfurt, wo sie noch heute lebt, nicht besser. Sie hat angefangen, Deutsch zu lernen, ein bisschen wenigstens. „Mal hier, mal da“ gearbeitet, „immer wieder was Neues angefangen“. In der Stadtküche in der Großmarkthalle, riesengroß muss die gewesen sein.

Da konnte sie auch direkt wohnen, mit der Mutter, die vorübergehend auch nach Deutschland kam, dann aber wieder mit dem Kleinkind zurück nach Osiek ist. Aus der städtischen Wohnung muss sie raus, Flora W. kommt bei einer serbischen Frau unter, die teilt eine Ein-Zimmer-Wohnung mit einem Mann.

Bis nachts hat sie gearbeitet in der Küche, dann auf die Luftmatratze mit Decke, aber ein Dach über dem Kopf. „Wenn einer aufs Klo wollte, musste ich aufstehen“, und der Typ „war hinter mir her“. Eine „Katastrophe“, die sie einen Monat ausgehalten hat.

Die Tochter ist 14 Jahre, als sie aus Osiek zur Mutter kommt. Flora W. arbeitet wieder von der Großmarkthalle aus, jetzt im Blumenhandel weltweit. Das lohnt sich, mit vielen Überstunden kommt sie auf ein ordentliches Einkommen, die Tochter kann eine gute Schule besuchen, später sogar eine private Highschool, sie will ihr Glück in Amerika versuchen.

Mit Glück kommt die Mama an eine große Wohnung, die sie mit viel Geld aufwendig saniert. Bis wieder ein Fuchs in ihr Leben schleicht und nach der Hochzeit in Osiek 27 Jahre als Ehemann bleibt.

Verliebt war sie in den Lackierermeister, aber auch der taugte nicht viel, „hat nie was bezahlt“, das blieb alles an ihr hängen. „Und die Ex-Frau hat immer mitgemischt.“

Heute lebt Flora W. bescheiden im Gallus, die 60-jährige Tochter ist wieder in Osiek. Sie bekommt eine Mini-Rente und die Miete vom Sozialamt und freut sich, wenn sie, bezahlt von der FR-Altenhilfe, mal ein Haushaltsgerät kaufen kann.

Einziger Nachlass vom letzten Fuchs: ein Brief von der Stadt, er sei gestorben, sie möge sich doch um die Beerdigung kümmern.  Jürgen Streicher