Manchmal ist ein Leben schnell erzählt. „Wir sind zufrieden“, sagt Annette G. aus Maintal über das Leben mit ihrem Mann, den sie 1967 kennengelernt und 1968 geheiratet hat.
Damals, vor 56 Jahren, stand sie am Scheidepunkt ihrer zwei Leben: dem als Kind und Jugendliche in Berlin, wo sie aufgewachsen ist, und dem als erwachsene Frau in Maintal.
Das beginnt nach einem Jahr hin und her, nach dem Urlaub mit Eltern und Brüdern am Wörthersee, wo sie den Mann ihres Lebens beim „Tanztee“, wie man damals noch sagte, in einer Art Discothek kennengelernt hat. Als Annette G. das erzählt, blitzt das Leben kurz auf in der Erinnerung.
Von den ersten 21 Jahren ihres jungen Lebens in Berlin erzählt Annette G. dagegen nicht so gerne. Von der Schule und anderen Abenteuern. Chemielaborantin hat sie gelernt, gearbeitet hat sie aber nur selten in diesem Beruf.
Auch nach dem Umzug nicht, es habe meistens nicht so gepasst. Schnell wird sie Mutter einer Tochter, da ging es erst nicht, später ging es nicht, weil ein Kindergartenplatz nur halbtags zur Verfügung stand. Dann mal ein „Zwölf-Stunden-Job“, mit der Tochter ist es nicht einfach, und schnell ist das Leben schon halb vorbei. Die Blitze werden seltener.
Um die Arbeit außer Haus kümmert sich stets der Mann mit einem kleinen Taxi-Unternehmen, immer mindestens 12 Stunden am Tag oder in der Nacht, mehr als 50 Jahre lang, bis er 75 ist. Heute ist er 81 Jahre alt, „nicht mehr so gut zu Fuß nach einer Hüft-OP“, das viele Sitzen im Taxi fordert seinen Tribut.
Annette G. ist 78 geworden, sie ist für das Heim zuständig, die kleine „pflegeleichte“ Souterrain-Wohnung, seit 44 Jahren leben sie dort. Es ist etwas dunkel dort, das macht ihr aber nichts.
Wie soll man so ein Leben zusammenfassen? Wenn die kleinen Renten nicht reichen ohne Grundsicherung, wenn die ausgezahlte Lebensversicherung verbraucht ist, das Geld hinten und vorne immer nur knapp langt? „In jungen Jahren haben wir nicht daran gedacht“, sagt G., „wir waren jung und dumm.“
Und doch: „Wir hatten ein schönes, zufriedenes, normales Leben“, fügt sie an. Fast trotzig. Ein paar Freunde gebe es noch, ein paar Kontakte, „Gott sei Dank“.
Und seit einem Jahr die FR-Altenhilfe, ein Lichtblick, wenn wieder mal ein in die Jahre gekommenes Haushaltsgerät den Geist aufgibt, oder einfach für eine kleine Freude im nüchternen Alltag. Das schafft sonst nur ein Sieg der Eintracht. Da sieht man das Lächeln auf dem Gesicht von Annette G. auch, wenn man nur mit ihr telefoniert. Jürgen Streicher