Der liebe Gott wird’s regeln. Das sagt Mimi M. gerne mal, wenn sie über Missgeschicke in ihrem Leben spricht.
Nein, mit der Kirche hat sie nichts zu tun, es ist eher so etwas wie Schicksalsergebenheit. Das war schon heftig, als der Vater erhängt in der Autowerkstatt gefunden wurde. Es war nicht mehr seine, in einem Wiesbadener Hinterhof, die war er los, als das Haus verkauft wurde.
„Das hat er nicht verkraftet.“ Nur noch getrunken habe der Vater, hat es noch mal mit einem Projekt auf Pump versucht, ist gescheitert an der Trunksucht. Es blieben 33.000 Mark Schulden hängen.
Mimi M. war 22 Jahre alt bei diesem familiären Fiasko. Sie hat bei Hertie gelernt, Herrenausstatterin, danach meist in guten Geschäften hochwertige Ware verkauft. Da hat der Vater einiges vermiest, kam betrunken in die Läden, wollte Geld, hat sich nicht benommen. Ihr wurde zweimal nach der Probezeit gekündigt.
Ein Jahr später kam ein Mann in ihr Leben, die „rosarote Verliebtsein-Brille“ machte sie blind. 1965 haben sie geheiratet. Sie hat sich ihre Rentenansprüche auszahlen lassen, rund 2000 Mark, um sie in das gemeinsame Projekt Gastwirtschaft zu stecken.
Mit eigenen Kindern wurde es nichts, das hat der untreue Ehemann zumindest einmal mit ihrer zuvor besten Freundin erledigt. „Die Situation eskalierte“, nach sieben Jahren war die Scheidung, sie wurde mit 7000 Mark abgefunden. Dafür hatte sie all die Jahre geschafft, „der hat mich nie angemeldet“.
Wiesbaden bleibt über all die Jahre ihre Heimat und ihr Wohnsitz bis heute. Von hier aus verkauft sie fünf Jahre selbstständig Jeans, nach Ungereimtheiten im zuliefernden Großhandel geht sie mit einem satten Minus raus aus der Nummer.
Die Jahre von 1980 bis 1998 machen das wett, bei einem großen Jeanshandel arbeitet sie sich hoch bis zur Verkaufsleiterin, bis der Laden dichtmacht. Mimi M. kommt nicht mehr unter mit knapp 56 Jahren.
Letzter Ausweg Putzen, erst bei Freunden, dann bei einer Bekannten im Rheingau. Deren Mann kümmert sich als „Wirtschafter“ um ein Haus, das unter dem Namen „Crazy Sexy“ firmiert. Fünfzig Zimmer, da gibt es viel zu putzen, mit ihrem Salär und einem 13. Monatsgehalt ist sie zufrieden.
Noch lange hat sie ihre Mutter mitfinanziert, ihre letzten acht Lebensjahre wohnten sie zusammen. Heute wohnt die bald 81-jährige Mimi M. in einer Einzimmerwohnung im 14. Stock eines Hochhauses. 787 Euro für knapp 43 Quadratmeter, da wird es schon eng mit der Rente, mit Grundsicherung und ein bisschen Pflegegeld kommt sie hin.
Und wenn sie jetzt noch von der FR-Altenhilfe etwas bekommt, worauf sie sich sehr freut, dann ist der Grundstock gelegt für eine dringend benötigte neue Brille. Jürgen Streicher