Für manch einen mag es idyllisch und nach Freiheit klingen, in einem Wohnwagen aufzuwachsen und weitgehend tun und lassen zu können, was einem gefällt.
Für Marga W. (Name geändert) trifft dies nur zum Teil zu – nämlich für ihre frühen Kindertage. „Wir sind auf dem Bonameser Wagenplatz groß geworden, wo neben Schaustellern auch Leute vom Zirkus wohnten“, erzählt die Tochter einer Schaustellerfamilie.
Der Vater habe ein kleines Schaugewerbe besessen, und wenn keine Jahrmarktsaison gewesen sei, lebte die Familie mit sieben Kindern in dem nördlichen Stadtteil von Frankfurt, sagt sie.
Wenn der Vater mit seinem Geschäft auf Reisen war, sei die ganze Familie dabei gewesen. Alle, die konnten, hätten anpacken müssen, Marga W. ab ihrem 13. Lebensjahr. Die Spielbude war meist von 14 bis 24 Uhr auf. „Zur Schule sind wir nicht gegangen. Kein Mensch hat je danach gefragt. Eine ‚fahrende Schule‘ gab es damals nicht“, sagt W.
Lesen und schreiben hat sie somit nie gelernt, was sie bedauert. „Als ich viel älter war, wollte ich das in einem Kurs nachholen. Letztlich habe ich mich nicht getraut, mich anzumelden. Ich schämte mich, mit anderen Leuten lesen zu lernen“, sagt die 72-Jährige.
Als Jugendliche hatte sich für sie keine Chance ergeben, wenigstens etwas Schule nachzuholen. „Ich war 16 Jahre alt, als die Mutter starb. Da ich die Älteste war, musste ich von nun an den Haushalt führen und mich um die Geschwister und den hilfebedürftigen Opa kümmern“, sagt W.
Erst als eine Stiefmutter in die Familie kam, sei sie von einigen Aufgaben entbunden worden. Die Familie habe von da an quasi als Basisstation in einer Wohnung gelebt.
Mit Mitte zwanzig hatte Marga W. ihre eigene Familie mit fünf Kindern. Der Vater, ein Artist, habe sie von einem auf den anderen Tag alleingelassen. „Bis heute habe ich ihn nicht wiedergesehen, auch die Kinder nicht“, sagt sie.
Um die Familie durchzubringen, habe sie bei anderen Schaustellern ausgeholfen. „Viel zu verdienen gab es nicht. Die wollten nur billige Kräfte. Wir lebten von der Hand in den Mund.“ Ohne zusätzliche Sozialhilfe wäre die Armut noch größer gewesen.
Rente? „Winzig“, sagt W. mit einem ironischen Lachen. Zum Altersgeld bekomme sie Grundsicherung. Vor vier Jahren erhielt W. ob ihrer Bedürftigkeit erstmals eine Unterstützung von der FR-Altenhilfe. „Das ist ja wunderbar! Das Geld ist mir eine große Hilfe“, sagt Marga W.
Beim Einkaufen könne sie sich damit mal ein paar andere Lebensmittel leisten. „Jetzt brauche ich Schuhe und eine Jacke. Geht ja alles mal kaputt“, sagt W. Detlef Sundermann