Der 11. September 2001 war auch im Leben von Emma T. der Anfang einer Zäsur.
Was als „9/11“ in die Geschichte einging, war für Emma T. das Ende ihrer Versuche, in der „Gastronomie in mehreren Variationen“ Fuß zu fassen. So beschreibt sie es.
Die Kneipe im Frankfurter Westend im Umfeld der US-amerikanischen Botschaft am Palmengarten „lief super“, dann wurde rund um die Botschaft alles abgesperrt. Es gab keine Zufahrt mehr, die Kund:innen blieben aus, „von da an ging nichts mehr“, sagt Emma T. im Rückblick.
Es war ihr zweites Desaster in der Kneipen-Branche. Einst hätten sie und ihr Lebensgefährte, mit dem sie auch heute noch nach 50 gemeinsamen Jahren in „wilder Ehe“ lebt, ihre Wirtschaft durch eine „Intrige“ verloren, über die sie aber nicht reden will.
Das war halt so, abgehakt wie vieles im Leben, das hat es ihr oft leicht gemacht. Noch heute, mit 77 Jahren, spricht sie in lockerem Ton, ohne Klagen, ohne Bitterkeit. Altersmüdigkeit ist ihr fremd, zum Glück ist sie gesund.
Als Tochter eines Lehrers und einer Hausfrau-Mutter ist sie im bayerischen Amberg geboren und dann im Odenwald aufgewachsen. Beide hatten einen Sinn für Kunst und Kultur, die Tochter bekam den Vornamen Carmen, das darf hier gesagt werden, denn Bizets „Carmen“ begegnete ihr auch im späteren Leben.
Aber erst einmal beginnt im Fernamt in Frankfurt, nach Schulabschluss mit Mittlerer Reife, 17 Jahre alt, ihr Arbeitsleben mit „Stöpseln“ in der Telefon-Zentrale. Weil sie aber „rumkommen wollte in der Welt“, ist Emma T. Stewardess geworden. Ist fünf Jahre rumgekommen und hat sich dann für Frankfurt und den Kneipen-Kosmos als Mittelpunkt entschieden.
Dass dabei nicht viel für eine spätere Rente rumkommt, war klar. Im Alter, in dem viele schon in Rente gehen, ist Emma T. ins Theater gegangen. Hat noch 15 Jahre Arbeit in der Kantine des Schauspiels drangehängt, ein 400-Euro-Job, erst mit 75 ist sie raus aus der Kantine.
Eine wunderbare Zeit, denn hier ist sie auch rumgekommen durch die Begegnung mit unglaublich vielen Menschen. Im Theater kamen alle zu ihr, Schauspieler, Musikerinnen, Mitarbeitende aus Technik, Beleuchtung, Maske, ein buntes Leben.
In der Oper hat sie zweimal „Carmen“ gehört und gesehen, manchmal wird sie eingeladen oder bekommt eine Karte zugesteckt, noch heute ist sie mit Begeisterung bei Hauptproben dabei. Es ist der Luxus, den sie genießt, auch wenn sie und ihr Lebensgefährte mit 700 Euro Rente, Grundsicherung und Wohngeld nicht im Luxus leben.
Und die Unterstützung durch die FR-Altenhilfe zweimal im Jahr ist auch so ein Glück, für das sie dankbar ist. Angespart könnte es für eine neue Waschmaschine reichen. Emma T. hilft derweil weiter im Ehrenamt für die evangelische Kirche bei einer Art Tafel. „Man kommt unter Leute, das hält jung.“