Bild: Bernd Fickert

Als sie keine Luft mehr bekam, keine zehn Meter mehr laufen konnte, war Doreen F. bereit für die Operation, die ihr Leben wieder erträglich machen sollte.

Doreen F. war schwer herzkrank, mit neuer Herzklappe sollte es vom Frühjahr dieses Jahres an wieder bergauf gehen. Doch es begann mit Unwohlsein, Schwindel und einem Sturz aus dem Klinikbett.

Noch immer hat sie Gehschwierigkeiten, diesen ewigen Schwindel, kann kein Auto mehr fahren. „Ist alles nicht so richtig geworden“, sagt die 73-Jährige. Sie will aber nicht klagen, irgendwie sei sie „ja immer guter Dinge gewesen“.

13 Jahre alt war sie, als der Mann ihres Lebens eines Nachmittags im Jugendcafé Oberursel auftauchte. „Der oder keiner“, das war ihr im ersten Moment bewusst. Er war fünf Jahre älter. Das hat gepasst, da gab es gar kein Rütteln, „ich hätte ihn sofort geheiratet“.

Als sie noch nicht an die große Liebe dachte, war er drei Jahre zuvor aus Süditalien gekommen, mit Eltern und Bruder, eine klassische Gastarbeiterfamilie aus einem kleinen Dorf bei Bari.

Mit 17 wird sie schwanger, das war nicht geplant, aber der erste Sohn ist „herzlich willkommen“. Bei allen, in der Großfamilie, in der sie nun leben.

Sie bleibt im ersten Jahr mit dem Kind bei ihren Eltern, er wohnt bei seiner Familie. Und sie muss auf Geheiß des Vaters zumindest eine kurze Ausbildung machen, als Visagistin in einer Kosmetikschule in Frankfurt, damit sie auch Geld verdienen könne. Sie heiraten sofort.

Durch die enge Verknüpfung mit ihren Familien beim Wohnen reicht das Geld, das der Mann auf dem Bau mit „Lastwagen, Kran und Bagger“ verdient, um über die Runden zu kommen. Dann hilft auch Doreen F. mit, arbeitet fünf Jahre lang in einer Oberurseler Apotheke.

Zwei weitere Kinder zwingen sie ins Haus, der Mann bekommt Arbeit in der Autowerkstatt ihres Vaters. „Die Eltern haben uns immer unterstützt, vieles getan.“

Ohne die Familie funktioniert das Leben auch beim Älterwerden nicht. Jetzt übernehmen die eigenen Kinder die Unterstützung, die Doreen F. ihrer Mutter bis zuletzt und ihrem Ehemann bis zu dessen Tod gab. 42 Jahre sind sie gemeinsam durchs Leben gegangen, er stirbt mit 60 an Lungenkrebs.

Heute lebt sie in einer kleinen Einliegerwohnung in Usingen-Wilhelmsdorf. Schön am Waldrand, dort kann sie trotz ihrer Sehschwäche nach der Herz-OP auf bekannten Pfaden mit ihrer Hündin Betsy spazieren gehen und bescheiden leben.

500 Euro Rente und Witwenrente müssen reichen, dazu Wohngeld und die Unterstützung der Altenhilfe seit drei Jahren. Damit wird diesmal die Impfung für den Hund bezahlt und ein paar Weihnachtsgeschenke für die Enkel.

Und wenn die Tochter sie wieder zum Urlaub in Italien mitnimmt, ist das Heimat und einfach schön. Jürgen Streicher