Bewohnerinnen und Bewohner des AWO-Altenhilfezentrums entdecken die Stadt. Bild: Renate Hoyer

An einem völlig ungewöhnlichen Ort steht ein roter Stadtrundfahrtenbus am Dienstagmorgen in Frankfurt. Statt wie gewohnt an Paulskirche und Römer parkt er vor dem Johanna-Kirchner-Altenhilfezentrum im Gutleut.

Hinein steigen mehr als ein Dutzend ältere Menschen, zu Fuß, mit Rollator oder sie werden im Rollstuhl transportiert. „Da musste ich erst 80 Jahre alt werden, um endlich mal mit so einem Bus fahren zu können“, sagt eine Dame.

Eine ganz besondere Tour unter dem Namen „Frankfurt erinnert Dich“ hat sich die Arbeiterwohlfahrt für einen Teil der Bewohnerschaft des Altenhilfezentrums ausgedacht. Möglich machte dies die finanzielle Unterstützung der Frankfurter Altenhilfe in Höhe von 980 Euro.

Zwei Fahrten gab es am Dienstag, und für die erste wurden die Bewohnerinnen und Bewohner im Vorfeld gefragt, welche Orte sie gern einmal wieder sehen würden und welche deshalb unbedingt von der Sightseeing-Tour berührt werden müssten. Es waren, kaum erstaunlich, die Orte, an denen die Menschen gelebt oder gern Zeit verbracht hatten.

Mit Busfahrer Carlos am Steuer und Gästeführer Frank Seibold am Mikrofon ging es für die älteren Menschen zunächst Richtung Sachsenhausen. Auf dem Weg durch die fünftgrößte Stadt Deutschlands, mit ihren rund 770.000 Einwohner:innen aus 179 Nationen und 197 Bankhäusern, erzählte Seibold bereits spannende Fakten zur Stadt.

Während der Bus am Main und am Nizza-Ufer entlang rollte, wurden Salzstangen und ein Glas Sekt gereicht. Die Silhouette der Europäischen Zentralbank in der Ferne kam langsam näher. Doch das 1,3 Milliarden teure Gebäude war ja nicht das Ziel und so ging es über die Ignatz-Bubis-Brücke hinein nach Sachsenhausen.

Das freute speziell einen Bewohner, der in seiner aktiven Zeit im Karnevalsverein „Die Sandhasen“ des CVM Mörfelden öfter auch Karnevalssitzungen in Sachsenhausen besucht hatte. Auch die restlichen Passagiere sahen altbekannte Orte und bekamen neue Geschichten zu hören. Etwa über das Haus von Max Beckmann in der Schweizer Straße oder dass die Alte Brücke bereits seit 1222 existiert.

Dass das heute rote Haus in der Oskar-von-Miller-Straße 10 einmal ein Bordell war, daran erinnerten sich noch einige. „Ich habe Tränen in den Augen gehabt“, sagte eine Bewohnerin, als der Bus am Sandweg vorbeigefahren war. Dort habe sie seit 2008 gelebt, ganz oben in einem Haus, wobei sie 120 Stufen bis zu ihrer Wohnung erklimmen musste.

Bei der SG Bornheim Grün-Weiß hat sie gearbeitet. Im Ort, an der Theke und auch ehrenamtlich als Kartenverkäuferin. Noch heute hat sie guten Kontakt zu den Vereinsmitgliedern, auch wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen das Wohnen im Heim nötig machen.

Ein 81-jähriger Mann erzählt, dass er Jahrzehnte selbst Bus in Frankfurt gefahren ist. „Das ist mal was anderes als selbst zu fahren“, sagt er zum Ausflug. Er war jedoch eher im Rebstock und in Höchst unterwegs, weshalb der Griesheimer nun mal ein paar andere Ecken der Stadt sieht. „Das gefällt mir gut.“ Steven Miksch