Wiesbaden ist der ideale Ort zum Leben. Zumindest für Betty P., die hier geboren wurde, gewohnt und gearbeitet hat.
Nach wechselnden Adressen wohnt sie seit einigen Jahren wieder in jener Straße, die ihr von frühauf vertraut ist. 52 Quadratmeter, zwei Zimmer, ein Aufzug vor der Wohnungstür – die 75-jährige Frau ist zufrieden. Trotz einer Lebensbahn, die nicht einfach zu meistern war.
Knapp 400 Euro beträgt das Altersgeld. Grundsicherung und Altenhilfe-Zuwendungen sichern den Alltag. Sie müsse schon rechnen, so die Seniorin. „Mir bleiben im Monat etwa 200 bis 250 Euro.“
Klagen kommen Betty P. indes nicht über die Lippen – jedoch ein Lob auf die Altenhilfe: „Ich bin den Spendern so dankbar!“ Seit 2016 wird die Wiesbadenerin unterstützt, konnte sich seitdem von dem Geld neue Kleidung und Schuhe, auch mal einen Wäschetrockner leisten.
Als wichtige Konstante kann die familiäre Einbindung gelten. Die beiden Töchter und der Sohn leben mitsamt den sieben Enkeln und vier Urenkeln in der Nähe, eine Enkelin sogar „gerade ums Eck“. Wenn Hilfe gebraucht werde, sei immer jemand zur Stelle.
Seitdem die 75-Jährige abgenommen hat, ist sie „wieder mehr draußen“. Gesundheitliche Einschränkungen aber bleiben genug. Probleme bereiten Augen, Zähne, Beine, Blase. Die Frau, die gerne in den Seniorentreff zum Mittagessen geht, bleibt gelassen: „Wünsche habe ich eigentlich nicht – außer dem, noch ein paar Jährchen am Leben bleiben zu dürfen.“
Aufgewachsen in einem „normalen Elternhaus“, bleibt das Verhältnis zu Mutter und Stiefvater zeitlebens angespannt. Betty P. – „eine Ausbildung habe ich nicht gemacht“ – wird mit 19 schwanger, das Baby wird auf Geheiß der Mutter in ein Heim gegeben.
Zwei weitere Kinder kommen auf die Welt und ebenfalls in fremde Obhut. Die junge Frau muss arbeiten, um das Geld für Unterhalt und Kinderheim zu verdienen. Viele Stellenwechsel, Fabrik und Buchbinderei, an Maschinen, im Akkord. „Die Kinder konnte ich immer nur an den Wochenenden zu mir holen.“ Als Mutter habe sie darunter sehr gelitten.
Weil Betty P. irgendwann nichts Schweres mehr heben kann, endet das Berufsleben Dasein allzu früh. „Für die Rente war das nicht ausreichend.“ Spät steigt sie nochmals ein, wird in den Küchen von Schulen und Seniorentreffs beschäftigt. Manchmal mit Bezahlung, manchmal ehrenamtlich. „Spaß hat es immer gemacht.“
Und Urlaub? „Stets in den Ferien – aber Wegfahren war nie drin.“ Weihnachten ist für die 75-Jährige jedoch von hoher Bedeutung. Bei einer der Töchter kommt die ganze Familie zu einer „schönen Feier“ zusammen.
Ihr Geschenk ist schon bekannt: „Eine neue Couch.“ – Die Altenhilfe macht’s möglich. Olaf Velte