Als Frankfurter würde sich Heiko W. nie bezeichnen. Er ist „Bernemer“, und darauf ist er stolz.
Der Stadtteil Bornheim und darin sein Kiez waren die ersten 46 Jahre seines Lebens sein Kosmos und sind es in Kopf und Herz immer noch. Ins Gallusviertel ist er damals nur umgezogen, weil er aus der alten Wohnung, die er lange mit der Mutter geteilt hat, rausmusste.
Im Gallus ist er mit 278 Mark im Monat für zwei Zimmer mit zwei Balkonen vorne und hinten eingestiegen, jetzt kostet sie über 700 Euro kalt und frisst die schmale Rente auf.
„Man muss aus dem Leben das Beste machen, sonst geht mer unter.“ Das war stets die Devise im Leben des heute 76-jährigen, der nur selten über Frankfurts Stadtgrenzen hinaus das Leben erkundet hat. Mit 14, nach der Volksschule, startet er eine dreijährige Lehre bei der Post, weil der Vater auch da gearbeitet hat. Der ist vier Jahre zuvor mit 39 Jahren gestorben, Spätfolgen des Krieges.
Heiko W. stellt nach drei Jahren Post fest, dass er lieber Arbeiter wäre, verdingt sich als Lagerarbeiter hier und da über viele Jahre. Mit 35 beginnt er eine neue Ausbildung als Maler und Lackierer, die letzten zwölf Jahre des Arbeitslebens ist er für einen Sicherheitsdienst auf der Messe unterwegs. Die Arbeit fürs Subunternehmen wirkt sich nicht gut auf die Rente aus, Grundsicherung rettet ihn.
Heiko W. spricht gerne von seinem „bewegten Leben“, in dem längst nicht alles gut gelaufen ist. Jetzt weiß er ja, dass man auch ohne Alkohol lustig sein kann, inzwischen sei er „ganz trocken“. Geblieben sind „Kaffee, Zigaretten und die Kreidler“, ein Moped wie in den jungen wilden Jahren in Bernem, mit dem er wieder bei schönem Wetter durch die Gegend fährt.
Weggesteckt hat er bisher den vor einigen Jahren diagnostizierten Prostatakrebs, die immensen Kosten für die Pillen trägt die Krankenkasse, da hat er Glück.
Egal ob Heiko W. über gute Zeiten oder Schattenseiten des Lebens spricht: Dass es dabei auch mal eine Frau und einen Sohn gab, erwähnt er nur am Rande. „Ich bin lieber für mich allein, ich brauche meinen Rückzugsort.“ Für Frau und Zusammenleben war nur kurz Platz in seinem Kosmos, dass nach der Flucht der Frau die Welt erstmal zusammengebrochen ist, darüber spricht er nicht gerne.
„Mer muss ebbe zurechtkomme“, sagt der stolze Bernemer Bub. Kommt er ja im Gallus, und wenn dann zweimal im Jahr durch die Unterstützung der FR-Altenhilfe auch mal kaputte Sachen ausgetauscht werden können oder sogar mal eine Einladung zu Theater oder Schifffahrt dabei ist, dann ist die Welt schon in Ordnung und Heiko W. ziemlich dankbar dafür.
Jürgen Streicher