Nein, eine schöne Kindheit hat Frieda K. wahrlich nicht gehabt. Zu spät wurde in den 50er Jahren festgestellt, dass eine beidseitige Hüftgelenk-Luxation ihre Kindheit und Jugend zu einem Schmerz-Drama machen würde.
Die ersten sechs Lebensjahre habe sie mehr oder weniger im „Gipsbett“ verbracht. Immer mit Schmerzen, „es war ganz furchtbar.“ Mit zig Operationen musste sie leben.
Und dann auch noch die Scheidung der Eltern, da war Frieda K. fünf Jahre und die Mutter, bei der sie blieb, schloss sich einer Sekte an. Das nächste Drama, die Mutter war sehr dominant, hat alles bestimmt und war gleichzeitig selbst bestimmt von strengen Regeln in der Gruppe.
Die geliebte „Schlagerbörse“ konnte sie nur heimlich hören, die „Bravo“ durfte sie nicht lesen. Schneiderin musste sie nach der verlorenen Kindheit lernen, weil man da bei der Arbeit sitzen konnte. Sport und Tanz wurden nie Teil ihres Lebens, die Schmerzen waren immer da. Auch psychisch durch den Druck der Sekte.
Die letzte große OP dann mit 20 und danach zwei Jahre an Krücken. Glück kommt nur für kurze Zeit ins Leben von Frieda K., als sie einen Mann von den Philippinen trifft. Sie heiraten in London, da ist sie 26. Nach zwei Jahren London und einem Jahr in Köln ist der Traum vorbei.
„Er hat das Geld rausgeschmissen, ich bin gegangen.“ Sie sieht das nüchtern, „ich habe nichts bereut, was so ist, muss wohl so sein“. Einen zweiten Versuch wird es nicht geben in ihrem Leben. Nur viel Einsamkeit in den folgenden Wiesbadener Jahren.
Die beste Entscheidung der 74-jährigen Frieda K. war der Umzug nach Frankfurt 2009. Ein paar Jahre arbeitet sie noch als Schneiderin, so gut es eben geht.
Sie bekommt eine Sozialwohnung in Bornheim in U-Bahn-Nähe, nicht weit von der Berger Straße: zwei Zimmer, Küche, Bad. Über den Verein „Freunde für alte Menschen“ bekommt sie Kontakte, mit der Grundsicherung kommt sie über die Runden.
Als Kind in einem rigiden System gab es für Frieda K. „kein Geburtstagsfest, kein Weihnachten, kein Ostern, kein gar nix“, erzählt sie. Umso mehr freut sie sich nun an Ostern und Weihnachten über den Zuschuss der FR-Altenhilfe. „Das finde ich ganz toll, das liebe ich, ich bin sehr, sehr dankbar.“
Sie sagt es mit Vorfreude auf ihr „Weihnachtsgeschenk“. Ein paar spezielle Sportschuhe wird sie sich da wieder leisten können. Die sie so dringend braucht für die Ausflüge in die Frankfurter Luft. Ganz weg ist der Schmerz der frühen Kindheit nie.
Jürgen Streicher