Bild: Bernd Fickert

Gabriel D. sitzt im 14. Stock eines Hochhauses in Sachsenhausen. Er lebt alleine in einer kleinen Wohnung, sehr geschmackvoll eingerichtet. Umgeben ist er von Büchern, die er nicht lesen kann. D. ist größtenteils blind, lesen kann er nur noch mit Lupe unter großen Anstrengungen.

Außer einem Bekannten, der ihm regelmäßig hilft, interessiert sich niemand mehr für D. Er geht nicht mehr viel unter Menschen. Die volle Stadt macht ihm Angst, das Hochhaus ist anonym. „Die Leute haben alle ihr eigenes Päckchen zu tragen.“ Natürlich ist D. traurig, selbstverständlich ist er einsam. Dennoch bereut der 80-Jährige nichts, wenn er auf sein Leben zurückblickt.

Denn D. hat ein bewegtes Leben hinter sich. Er ist viel herumgekommen, er hat sein Leben gelebt, mit all seinen Höhen und Tiefen. Mit 22 Jahren machte der gelernte Koch eine Kneipe in Bornheim auf, den „Tennistreff“. Nach der Hochzeit eröffnete er mit seiner Frau ein Hotel in Steinbach. Das Hotel musste er verkaufen, die Ehe ging kurze Zeit später in die Brüche.

D. machte weiter, betreute ein Tennisheim der Eintracht am Riederwald, arbeitete wieder in seiner Kneipe in Bornheim und als Koch und Buffetière in einem Lokal im Ostend. Nach einer Erbschaft wanderte er 1982 mit 1000 Mark nach Thailand aus. Dort lebte er 17 Jahre als Barbesitzer, half Auswanderern bei der Eröffnung eigener Gewerbe und betrieb zuletzt sogar eine deutsche Videothek. 1999 kehrte er mit 150 Mark nach Frankfurt zurück und jobbte bis zur Rente wieder in dem Lokal im Ostend.

Gabriel D. war stets ein Lebemann, der sein unstetes Leben liebte. Noch heute kocht er selbst, trotz schwerer Sehbehinderung. „Die Handgriffe kann ich auch blind“, sagt er.

Heute lebt er von 15 Euro am Tag. D. bezieht Sozial- und Blindenhilfe. Das Geld von der FR-Altenhilfe, das er zusätzlich erhält, ist für ihn kein netter Bonus. Es ist für ihn essenziell. „Medikamente sind teuer. Die Krankenkasse übernimmt nur einen Teil der Kosten.“ Neben seiner Sehbehinderung ist D. schwerhörig und hat ein offenes Bein. Die Medikamente dafür verschlingen einen Großteil seines Monatsbudgets.

Auch in der alten Wohnung muss ständig etwas gemacht werden. „Ich freue mich, wenn ich von der Hilfe vernünftig einkaufen und mir mal ein Kotelett braten kann.“

D. hat schon lange niemandem mehr von seiner Geschichte erzählt. Das Erzählte bewegt ihn sichtlich. „Ich würde nicht sagen, dass ich unglücklich mit meinem Leben bin. Ich würde nichts anders machen wollen. Aber natürlich ist es nicht schön so. Man lebt halt vor sich hin.“ prjb