Bild: Renate Hoyer

Während seiner Berufszeit war Alfred P. ständig unterwegs – heute kann er seine 42-Quadratmeter-Wohnung in einem Oberurseler Sozialhaus kaum mehr verlassen.

„Eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die zur Isolation führt“, sagt der 79-Jährige. Auf Rollator und Gehstock angewiesen, sind Ausflüge und Spaziergänge zur Last geworden. „Neuerdings habe ich vermehrt mit Schwindel zu kämpfen.“

Auch finanziell ist der Rahmen eng gespannt. Von der an den Kreis abgetretenen Rente in Höhe von rund 550 Euro bleiben nach Abzug der laufenden Kosten etwa 120 Euro für das monatliche Dasein. Das tägliche „Essensgeld“ veranschlagt der nahe des pommerschen Greifswald zur Welt Gekommene mit 5,50 Euro – wozu ein „sehr genauer Blick auf die Lebensmittelpreise“ gehört. Bewusstes Einkaufen ist Pflicht, ein Haushaltsbuch wird geführt.

Die Zugabe der Altenhilfe ist für ihn von „entscheidender Bedeutung“. Im vergangenen Jahr hat er sich davon eine dringend notwendige Matratze mitsamt Lattenrost in die Wohnstatt geholt. Nicht alleine die Rückenprobleme, auch eine anhaltende Depression – „lange war ich in Behandlung“ – bringen Einschränkungen mit sich. „Wie ein zu enger Schuh“, so Alfred P., dessen Werdegang von überraschenden Wendungen und beruflichen Wechselspielen geprägt ist.

Als Flüchtling und jüngster von sechs Brüdern wächst er auf in „armer, primitiver“ Nachkriegszeit, wird aber nach einer „Hochbegabtenprüfung“ zum Studium an der Musikakademie in Detmold zugelassen. Phasen des Zweifels und gelegentliche „Aussetzer“ beenden eine Karriere als Geiger vorzeitig. Im Hause Bertelsmann in Gütersloh – „die Schallplattenbranche hat mich gereizt“ – lässt er sich zum Industriekaufmann ausbilden, absolviert schließlich das „Begabtenabitur“ und studiert Sozialpsychologie.

Als Selbstständiger erwirbt der mittlerweile im Frankfurter Raum tätige Krisenmanager einen guten Ruf, arbeitet für große Firmen. Zwei Eheschließungen sind gefolgt von zwei Scheidungen, auch die berufliche Welt wird brüchig. Unternehmen, die er berät, gehen in Konkurs und reißen Alfred P. mit in den Abgrund. Schulden türmen sich, eine langwierige Krankheit wirft den 60-Jährigen aus der Bahn.

„Die Lebensversicherung war nicht mehr zu bedienen – als Freiberufler war ich dann weitgehend ungeschützt.“ In Oberursel – „wie auch an allen anderen Orten zuvor“ – sei er nie heimisch geworden. Einen Bekanntenkreis gibt es nicht: „Den hatte ich nie.“

Eine Konstante im Leben des 79-Jährigen ist die Tochter, mit der regelmäßig telefoniert und mit der er auch Weihnachten feiern wird. Nach guter Tradition kommt auch in diesem Jahr ein Hühnchen in den Römertopf. „Dank der Altenhilfe.“ Ein Ständchen auf der Geige will jedoch nicht mehr gelingen – „da macht die Motorik nicht mehr mit“. ov