Bild: Michael Schick

Nach seiner ersten Radtour war er erschöpft, aber glücklich. „Da fühlt man sich wie ein kleiner König, so etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben“, sagt Rafael C.

Der 70-Jährige ist in Uganda geboren. Aufgrund der indischen Wurzeln seiner Eltern wurde er unter Diktator Idi Amin 1972 aus dem ostafrikanischen Land ausgewiesen und kam so nach Deutschland.

Im Alter von neun Monaten erkrankte C. an Kinderlähmung. Durch die mit dem Poliovirus übertragene Krankheit kann er sein linkes Bein überhaupt nicht bewegen und sein rechtes nur zu etwa 80 Prozent. Auf ebenen Flächen geht er an Krücken, für sonstige Wege hat er einen Rollstuhl.

„Ich wollte immer ein Fahrrad haben“, sagt er. Diesen Wunsch hat er sich mit Unterstützung der FR-Altenhilfe im vergangenen Sommer erfüllt. Für 750 Euro kaufte er sich gebraucht ein „Handbike“, was neu mehrere Tausend Euro kosten würde – für C. unerschwinglich. Das Handbike ist ein drittes Rad, das er an seinen Rollstuhl montiert und an dem Pedalen auf Brusthöhe befestigt sind, die er mit beiden Händen bedient. Ein Zahnriemen ersetzt die Kette.

Mit Spenden der Altenhilfe konnte er mehr als die Hälfte des Handbikes finanzieren. Für die andere Hälfte musste er zwei Jahre lang sparen. Monatlich hat Rafael C. nach Abzug von Miete und Nebenkosten nur 250 Euro zur Verfügung.

25 Jahre lang hat er bei einer Bowling-Anlage gearbeitet, diese als Mechaniker „in Schuss gehalten“, wie er sagt und dabei auch die Armmuskeln trainiert, die er beim Handbiken benötigt. In Vollzeit sei er dort beschäftigt gewesen, trotz seiner Beeinträchtigung. Er berichtet: „Ich habe keinen Behindertenausweis, habe mich als normaler Mensch gefühlt und ich glaube, es war mein Stolz, als freier Mensch zu arbeiten.“

Viel zur Seite legte er während der Berufstätigkeit jedoch nicht, weil er nach der Devise lebte: „Warum soll ich sparen, wenn ich morgen tot bin?“ Im Herbst 2003 wurde bei ihm infolge der Kinderlähmung das „Post-Polio-Syndrom“ diagnostiziert, bei dem unter anderem seine Finger versteiften. Er konnte nicht mehr arbeiten und seine Einnahmen schrumpften.

„Es tut höllisch weh, aber durch Bewegung kann man es lindern“, berichtet Rafael C. Körperlich fit zu sein, sei für ihn wichtig, um seinen Single-Haushalt zu meistern, was „sehr viel Energie“ koste. „Ich muss mich bewegen, das Leben ist sonst zu langweilig“, sagt er und lacht. Ein Grund, warum C. seit zehn Jahren ehrenamtlich bei einer Lebensmittelausgabe für Bedürftige mithilft.

Zentral ist es für den lebensfrohen Mann vor allem, sich frei und unabhängig bewegen zu können. Deshalb ist ihm auch sein Handbike so wichtig. Bekäme er eine weitere Spende der Altenhilfe, würde er es aufrüsten. Denn er hat noch Großes vor. Mit einem angebauten Hilfsmotor will er per Handbike auf Deutschlandtour gehen: „Wenn alles gut geht mit Corona, möchte ich, sobald es wärmer wird, damit nach Hamburg fahren und Deutschland ein bisschen besser kennenlernen.“

Mit Klimmzügen hält er den Winter über auf jeden Fall schon einmal die Arme fit. Clemens Dörrenberg