Bild: Michael Schick

Weil ihr andere immer wichtiger waren als sie selbst, ist Birte A. im Alter auf die Unterstützung von außen angewiesen. Die Pensionärin muss mit 930 Euro monatlich auskommen.

Ihre geringe Rente wird mit der Grundsicherung verrechnet, davon gehen noch 600 Euro für die Miete ab. „Mit dem Geld wird es immer knapper“, sagt die 76-Jährige. Die Unterstützung durch die FR-Altenhilfe, für die sie „unendlich dankbar“ sei, nutzt die gebürtige Frankfurterin, um „ärgste Löcher“ zu stopfen. „Wenn ich das nicht hätte, würde ich verzweifeln und verwahrlosen“, sagt sie.

Ein Paar winterfeste Schuhe wären mal wieder nötig. Der Duschkopf ist defekt und in eine Fußpflege zu investieren, möchte sie sich gar nicht vorstellen. Ihre Haare schneidet sie sich schon seit Jahren selbst. „Ich war bestimmt 15 Jahre lang nicht beim Frisör“, sagt A. In leisem Tonfall fügt sie hinzu: „Ich weiß aber noch nicht, ob ich mir das leisten kann.“

Dabei hat sie schon seit früher Kindheit viel auf andere geachtet und weniger auf sich. Nachdem ihr leiblicher Vater kurz nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft tödlich bei einem Arbeitsunfall verunglückte, wuchsen sie und ihre Schwester bei Mutter und Stiefvater auf. Genauso wie für die Schwester, die „mit massiver Mehrfachbehinderung“ leben musste, war A. auch für ihren jüngeren Stiefbruder da.

„Ich habe meine Schwester und meinen Bruder praktisch miterzogen“, berichtet sie. Der Schwester, die vor sieben Jahren gestorben ist, war sie „eng verbunden“. Mit dem Stiefvater habe sie dagegen „starke Probleme“ gehabt. Ähnliche Muster bildeten sich bei ihrem späteren Ehemann heraus. „Er hat mich massiv terrorisiert“, sagt die gelernte Industriekauffrau.

Nach der Scheidung wagte sie den Weg zur Hochschule. Mit 30 Jahren begann sie zu studieren, wurde Diplom-Pädagogin. Am Rande erwähnt sie neben Krankheiten zwei unvollendete Schwangerschaften. Ein Kind musste sie zur Adoption freigeben, weil sie es als Studentin ohne Partner nicht hätte behalten können. „Daran wäre ich fast zerbrochen“, sagt sie leise.

Nach dem Studium arbeitete Birte A. weiter in „gut bezahlten Bürojobs“, etwa im Sekretariat, um daneben ihrem „starken Helferdrang“ nachgehen zu können. Neben der Pflege der Schwester arbeitete sie ehrenamtlich in dem Wohnheim mit, in dem diese lebte. Auch in der ökumenischen Kirchengemeinde war sie sehr aktiv und half, wo sie konnte.

„Ich habe einen ganz starken Glauben“, sagt A. Politisch engagierte sie sich lange Jahre bei den Grünen und bei Attac. Früher habe sie selbst häufig an karitative Zwecke gespendet. Nun ist sie auf Spenden angewiesen. Clemens Dörrenberg