Bild: Renate Hoyer

Alfons U. ist bei Pflegeeltern aufgewachsen, hat Tischler gelernt. Als Selbstständiger hat er „nicht geklebt“, das rächt sich.

Das eine Knie macht Alfons U. arg zu schaffen. Die sechs Stufen zur Parterre-Wohnung muss er rückwärts hinuntergehen. „Kaputt operiert“, erklärt er, „aber ich will nicht jammern, es gibt Schlimmeres.“

Alfons U. denkt mit seinen 83 Jahren auch oft positiv, er habe viel Glück gehabt im Leben. Kleines Glück, großes Glück, das kommt immer ganz auf den Blickwinkel an. Jetzt kann er noch mal umziehen mit seiner zweiten Ehefrau, seit 33 Jahren meistern sie das Leben gemeinsam. Wieder Parterre, aber behindertengerecht in einem Haus der evangelischen Kirche am „Ring“ in Wiesbaden. Ein echtes Geschenk kurz vor dem Fest.

„Das Leben ist nicht nur Honigschlecken“, resümiert der gelernte Tischler ohne Groll auf sein Schicksal. Es war halt so: eine Kindheit „in Kriegszeiten, der Vater eigentlich unbekannt“. Die Mutter hat ihn früh „abgegeben“, vom Geburtsort Stuttgart nach Oberhessen zu Pflegeeltern. Sie werden seine Familie, nur einmal kommt die Mutter vorbei.

„Ich hatte eine schöne Kindheit, aber auch Tränen“, erzählt er knapp. Das Mitfahren auf der Lok der alten Vogelsberger Eisenbahn fällt ihm ein, mit Gebimmel und Dampf, der Bauernhof des Pflegevaters mit Kühen, Schweinen, Hühnern, Gänsen und dem „lustigen Truthahn“. Eine fast unbeschwerte Zeit, eine Krankenschwester vom Jugendamt kam zweimal die Woche vorbei. „Die war süß“, die hat der Bub geliebt.

Zwei Schwestern gehören zur Pflegefamilie, sie sind schon fast erwachsen, als Alfons U. ins Haus kommt, die eine stirbt in jungen Jahren. In der Erinnerung ist er behütet aufgewachsen, die „Eltern“ waren stets gut zu ihm. Acht Jahre Schule, danach Schreinerlehre im Ort.

Kaum hat er sie abgeschlossen, macht die Firma dicht, der Familienbetrieb ist ohne Nachfolger. Zwei Jahre arbeitet er noch im Nachbarort, dann fängt sein neues Leben in Wiesbaden an, im Betrieb des Mannes der Schwester.

Alfons U. entwickelt ein Faible für die Bearbeitung von Möbeln und Heizungsanlagen mit Spritzlack, später macht er sich als Küchenbauer selbstständig, arbeitet für ein Küchenstudio im Kundendienst und Service. Da lief nicht alles rund, irgendwann forderte das Finanzamt eine deftige Nachzahlung, ein Schlag ins Kontor.

Er formuliert vorsichtig: „Man hat auch einiges verkehrt gemacht.“ Dazu zählt, dass er in der Zeit als Selbstständiger „nicht geklebt hat“. Deswegen ist er froh über das „Weihnachtsgeld“ der FR-Altenhilfe, „das ist eine tolle Sache“.

Ein paar Dinge fürs alltägliche Leben kann er damit anschaffen, Kleidung und Schuhe etwa. Denn die Rente reicht gerade mal für die Miete und absolute Grundbedürfnisse. Jürgen Streicher