Bild: Michael Schick

 

Bibliothekarin wäre sie gerne geworden, erzählt Viktoria L. (Name geändert). Doch eine Chance hierzu habe man ihr im Arbeitsamt nicht mehr gegeben.

Nach mehreren berufsbedingten Erkrankungen habe man sie aus dem Arbeitsleben ausgemustert, sagt L. enttäuscht. Die heute 75-Jährige musste Hartz IV beantragen. Heute erhalte sie Grundsicherung im Alter, und mit ihrer Gesundheit stehe es weiterhin nicht gut, bemerkt die in Wiesbaden lebende Seniorin.

Sie wurde im Hunsrück geboren, mit einer Zwillingsschwester, zu der jedoch kein Kontakt mehr bestehe. Früh sei die Familie nach Wiesbaden gezogen, wo Viktoria L. die Volksschule besuchte. Sie lernte das Friseurhandwerk, machte mit 40 Jahren ihre Meister-Prüfung und „war sehr erfolgreich“, erzählt sie.

Dann seien erste Allergien aufgetreten. Mit der Arbeit im Salon sei daher bald Schluss gewesen. L. schulte um auf Stenokontoristin. „Die Redeschrift beherrschte ich perfekt. Ich hätte sogar im Bundestag im Parlament protokollieren können.“ Eine Anstellung fand sie in einer Behörde, später in einer medizinischen Praxis.

„Meine Handgelenke sind schmal, da habe ich mir beim vielen Schreiben auf der Schreibmaschine eine chronische Gelenkkapselentzündung zugezogen“, erzählt sie. Eine weitere Umschulung zur Büchereiangestellten habe sie dann nicht erhalten können.

Sie lebt heute allein. Aus der eineinhalb Jahrzehnte dauernden Lebensgemeinschaft mit einem Mann wurde keine Ehe, Kinder hat sie nicht.

Nicht nur das kleine Einkommen schränkt L.s Leben erheblich ein, auch ihre zunehmende Neurodermitis durch mittlerweile viele Stoffe, die im Alltag und in Lebensmitteln selbstverständlich sind. „Fertiges Essen vertrage ich nicht und muss täglich selbst kochen. Ich leide auch unter einer seltenen Kunststoffallergie“, sagt sie. Selbst ein entsprechender Faden in einer Naht der Kleidung könne eine Hautreizung auslösen.

Mit der Zuwendung aus der FR-Altenhilfe habe sie sich bisher Kleidung aus Wolle gekauft. „Die zwei Hosen, die ich habe, sind nicht mehr so gut. Da hilft mir das Geld für eine dritte“, sagt L.

Freude findet Viktoria L. vor allem in ihren Hobbys: Kindergeschichten verfassen und Welthistorie lesen. Bereits mehr als 40 Abenteuer eines Mäuserichs habe sie gezeichnet und getextet, dann kopiert und verschenkt.

Das Material werde von einer Privatperson gesponsert, Geld oder gar einen Verlag gebe es für den Mäuserich nicht. Detlef Sundermann