Bild: Renate Hoyer

Vom ersten Moment an klingt Britta P. frisch, flott und fröhlich. Ihre Lebensfreude hat sie mit 80 Jahren nicht verloren, ihre positive Einstellung, was auch immer da kommen mag.

Bescheidenheit und Demut prägen sie, vielleicht ist es das, was man lernt, wenn das bewusste Leben mit einer Flucht beginnt. Es ist nicht viel, an was sie sich erinnert aus dieser Zeit, als sie mit der Mutter auf der Flucht war. Raus aus Ostpreußen, über Polen ins sächsische Roßwein, zweieinhalb war sie da. „Nur der Horror vor Bahnhöfen ist geblieben, immer noch“, sagt sie. Das permanente Gewusel und Drängeln überall.

Der Vater kam lebend zurück aus dem Krieg. Da war sie mit Mutter und Schwester schon in Güstrow, „es war schön dort“, erinnert sich Britta P. an diese Zeit, an die ersten beiden Schuljahre, bis zum nächsten Umzug nach Rostock. Die nahe Ostsee bei Warnemünde milderte das „Schon-wieder-Umziehen“. Die „nächste Flucht“ fand 1956 statt, die näheren Umstände sind im Zeitennebel verloren.

Frankfurt wurde neue Heimat der Familie. Und die 14-Jährige fand alles „grauenhaft“. Alle Mädchen waren hübscher gekleidet als das Flüchtlingskind, „ich war fix und fertig, habe ein Jahr nur geheult“ im Frankfurter Frust. Zwei Jahre Handelsschule rückten das junge Leben in eine Bahn, Britta P. ist „im Büro gelandet“, Schreibkraft in einem mittleren Unternehmen.

Mit 18 lernt sie ihren Mann kennen, geheiratet wird mit 21. „Hinterher ist man immer schlauer“, sagt sie. Sie wusste, „wir haben nicht zusammengepasst“. Die Tochter ist zwölf, als dieser Riss nicht mehr zu kitten ist, Britta P. braucht einen neuen Einstieg ins Arbeitsleben nach dem Leben als Nur-Mutter.

Der Mann wollte es so, das war das Muster. Es reicht hinten und vorne nicht, unterwegs sammelt sie leere Flaschen, einen Beutel hat sie stets dabei. „Ich war immer gut zu Fuß.“

Britta P. ist kein Mensch, der klagt. Dem Staat zur Last fallen wollte sie nie, da hätte sie sich „geschämt, das ist ja wie Betteln“. Es waren andere, die sie auf Wege aufmerksam gemacht haben, bei denen sie ihr Gesicht wahren konnte. Auf die „Tafel“, da läuft sie immer vom Wohnort Maintal nach Dörnigheim rüber. Später bekommt sie Wohngeld, da muss sie nicht mehr zur Tafel.

Einteilen, sparsam leben, das hat sie von klein auf gelernt. Seit 1964 lebt sie in derselben Wohnung im dritten Stock, das Treppen laufen ist schwierig geworden, beim Einkaufen wird sie von „guten Menschen“ unterstützt.

In Güstrow war sie nie wieder, auch nicht in Rostock, in Warnemünde. „Ich will hier nicht mehr weg, jetzt habe ich eine Heimat gefunden“, sagt sie. Seit vier Jahren wird sie von der FR-Altenhilfe unterstützt. „Es ist ein wunderschönes Geschenk, herzlichen Dank an alle, die da spenden. Schreiben Sie das!“ Nach 40 Jahren konnte sich Britta P. eine neue Matratze leisten. Jürgen Streicher