Christine Thomas hat durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit viel gelernt. (Bild: Christoph Boeckheler)

Eines hat Christine Thomas sehr schnell gelernt. Dass der Satz stimmt, man stirbt nicht 24 Stunden am Tag.

Den entgegnete ihr einst eine Bekannte, die in der Hospizarbeit aktiv ist. Auch Thomas ist mittlerweile ehrenamtliche Hospizbegleiterin und bestätigt, dass trotz der Nähe zum Tod und des ernsten Themas häufig auch gelacht wird.

Das erste Mal erfuhr das die 68 Jahre alte Frankfurterin beim Vorbereitungskurs auf ihr Ehrenamt. Dieser begann im Januar dieses Jahres und ging bis etwa Mai. 100 Stunden Theorie plus nochmals 40 Stunden Hospitanz in einem ambulanten Pflegedienst und auch einer stationären Einrichtung.

Bei der Theorie hatte Thomas, so sagt sie selber, sicherlich großes Glück bei der Zusammensetzung der Gruppe. Ihre anfänglichen Bedenken, dass dort nur ältere, meist weibliche Teilnehmer sein würden, erwiesen sich als unbegründet. Es waren auch viele junge Leute darunter, gut die Hälfte waren Männer und einige standen sogar noch im Beruf oder studierten.

„Das hatte ich nicht erwartet. Ich fand das toll.“ Die Diversität der Gruppe sei fruchtbar gewesen und hätte für viel Kreativität gesorgt. Und es wurde eben viel gelacht. Vielleicht weil Lachen zum Leben gehört. Und das Leben zum Tod. Die Praxisstunden fand die ehemalige Gewerkschaftssekretärin genauso gut und wichtig wie die Theorie zuvor. Sie lernte die älteren Menschen kennen, unterhielt sich mit ihnen und lernte dazu.

Beim erneuten Blick auf den „Stundenplan“ dieses besten Kurses ihres Lebens hebt Thomas einige Themen besonders hervor. So habe sie bei „Wahrnehmen und Kommunikation“ auch viel für den Alltag gelernt. Sie versucht sich häufiger von schnellen Urteilen und Wertungen frei zu machen. Sie höre erstmal einfach nur zu. „Die Angehörigen beispielsweise wollen häufig gar keine Ratschläge oder Floskeln.“ Sie wollten jemanden, der zuhört.

Auch die Biografiearbeit sei enorm wichtig. Also was hat die von mir begleitete Person früher gearbeitet, wo kommt sie her, wie ist sie aufgewachsen. Dadurch würden sich neue Anknüpfungspunkte für die gemeinsame Zeit finden. So ist es auch bei der 97 Jahre alten Frau, die Thomas gerade begleitet. Sie sei demenziell, bettlägrig und reagiere nicht auf Ansprache.

Weil sie aus Polen stammt, ein Model und auch spirituell war, probierte die 68-Jährige etwas aus. Sie spielte ihr polnische Wiegenlieder vor, brachte ihr Klangschalen mit und ließ sie verschiedene Stoffe berühren. „Bei den Liedern hat sie reagiert. Ich habe das als positiv interpretiert.“ Thomas freut sich, den Menschen noch etwas Gutes tun zu können.

Dass es dieses Ehrenamt wurde, war keine Ad-hoc-Entscheidung. Klar war für Thomas immer, dass sie mit Beginn der Rente noch etwas machen wollte. Eine Kollegin hatte ihr früher schon von der Sterbebegleitung, wie es damals noch hieß, erzählt. „Dieser Gedanke ist in mich eingefallen wie ein Samenkorn und ruhte dann.“

Er keimte dann, als sie überlegte, in welche Richtung es gehen sollte. Wichtig war es Thomas, dass sie ihre berufliche und ihre Lebenserfahrung einbringen konnte, sie etwas Neues dabei lernte und dass es etwas war, mit dem sie sich noch nie beschäftigt hatte. Auf Tod und Sterben traf all das zu. „Ich wollte mich dem Thema stellen.“

Bei einem Anruf beim hessischen Sozialministerium bekam sie drei Adressen für die Ausbildung genannt. Sie entschied sich am Ende für das Bürgerinstitut. Das bietet regelmäßig Kurse für Menschen an, die ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen werden wollen. Finanziell unterstützt wird es in diesem Bereich auch von der FR-Altenhilfe.

Thomas glaubt, dass sie durch ihr Ehrenamt nun ein gelasseneres Verhältnis zum eigenen Tod hat. „Das Thema hat nicht das Erschreckende, wie man vorher denkt.“ Ihre Entscheidung für das Engagement hat sie nie infrage gestellt. Es sei zu einhundert Prozent stimmig. Und die Menschen, die sie künftig begleiten wird, werden ihr noch viele Erfahrungen bieten.

Sie freue sich darauf, mit ihnen zu reden und zu agieren. „Es gibt wenig anderes, wo man in relativ kurzer Zeit mit vielen Menschen so persönliche Momente erlebt.“ Noch ein Indiz dafür, dass die Wahl der 68-Jährigen richtig war. Steven Miksch