Das Leben von Manuel S. (Name geändert) hatte viele Wendungen. Der 82-Jährige hat bereits drei Ehen geführt und zwei Studiengänge abgeschlossen.
Heute reicht ihm seine Rente trotz seiner zwei Abschlüsse nicht aus, und er ist auf Grundsicherung angewiesen. „Mit 25 Jahren machte ich mein Diplom in Ingenieurwissenschaften in Krakau“, sagt er. Das Ausland hatte den gebürtigen Polen aber schon damals angezogen.
Als seine damalige Verlobte sich schlagartig von ihm verabschieden musste, weil sie im Inbegriff war, mit ihrer Familie nach Deutschland auszuwandern, wurde aus dem Wunsch Realität. „Ich habe ihr dann erklärt, dass ich nachkommen werde.“
Das sollte sich aber als schwierig erweisen. Polen war um 1970 weiterhin fest im Einflussbereich der Sowjetunion. Eine Ausreise war nicht immer möglich.
„In demselben Jahr wurden von einem Jachtclub, den ich kenne, Bootsfahrten organisiert. So kam ich von Stettin nach Kopenhagen.“
Nach dem Grenzübergang sollte er sich in Kopenhagen mit seiner damaligen Verlobten treffen. „Aber Pustekuchen. Die hat mich erst mal sitzengelassen“, erklärt er. Nach einigen Nächten unter freiem Himmel in Kopenhagener Parks konnte sie ihn schließlich über das deutsche Konsulat noch Deutschland holen.
„Ich habe schnell gemerkt, dass Arbeit in Deutschland eine große Stellung hat“, sagt er lachend. Zu seinem Missfallen konnte er aber lediglich eine Büro-Stelle in einem Konstruktionsbüro finden. „Da habe ich gesessen und gerechnet.“
Mit seinem gelernten Beruf hatte das jedoch nicht viel gemeinsam. „Das deutsche Ingenieur-Diplom wurde da auch nicht ganz gleich angesehen mit dem aus Polen. Ich wollte aber mit den Akademikern gleichgestellt werden“, sagt er.
So begann er mit Anfang 30, Psychologie in Frankfurt zu studieren. Doch auch dieser Versuch mit der Arbeitswelt verlief schleppend. „Bis ich Anfang 40 war, habe ich mein Geld mit Taxifahren verdient.“
Es sollte noch einige Jahre dauern, bis Manuel S. seinen Traumjob als psychologischer Betreuer in einer Einrichtung für ältere Menschen erhielt. „Mit 64 Jahren musste ich verfrüht in Rente, weil ich einen Schlaganfall bekommen habe“, sagt der heute 84-Jährige.
Übergangsjobs, die er in den Jahren zwischen seinen festen Anstellungen hatte, gehen nicht in die Rentenversicherungen ein. Und die Konstruktions- und Psychologenstelle hat er jeweils nur für begrenzte Zeit besetzt.
So sei Manuel S. mitunter auf die FR-Altenhilfe angewiesen. „Seit diesem Jahr muss ich horrende Nachzahlungen für die Heizungskosten zahlen. Das Geld von der FR habe ich auch dafür genutzt.“
Für seine aktuelle finanzielle Lage macht er sich selbst verantwortlich. „Ich bin damals aus einem gut bezahlten Job ausgestiegen, um noch mal neu zu studieren. Aber wer weiß, vielleicht hätte mich das auch so unglücklich gemacht, dass ich heute nicht mehr leben würde.“
So hätte er aber auch das verpasst, was ihn heute mit größtem Stolz erfülle: seine Tochter. Die entstammt seiner dritten Ehe und lebt mittlerweile in den USA, wo sie ihren Doktor in englischer Literatur machte. Julia Rojewska