Bild: Bernd Fickert

Ihr größter Wunsch wird nie in Erfüllung gehen: „Die Jugend zurück“, sagt Margret J. – um zu vollenden, was im Alter von 18 Jahren durch eine falsche Entscheidung zur Unmöglichkeit wurde.

Damals war die 1948 in Frankfurt-Bornheim Geborene auf dem besten Weg, den Beruf einer Fotografin zu erlernen. Kurz vor dem Eintritt in die Fotofachschule lernt die junge Frau jedoch einen jungen Mann kennen.

Die Liebe täuscht über den wahren Charakter des späteren Ehemannes, eines Gastwirtssohnes, hinweg. Kaum ist die gemeinsame Tochter in der Welt, wird die Partnerschaft zur „schlimmen Sache“. „Der ist jedem Frauenrock hinterhergestiegen“, so die heute 71-Jährige. Wegen des Kindes wird die Ehe zunächst mühsam aufrechterhalten, nach der Scheidung zieht Margret J. ihre Tochter dann alleine auf, hangelt sich von Putzstelle zu Putzstelle. „Wir haben in jener Zeit in einem Mauseloch gewohnt.“

Noch immer lebt die Seniorin bescheiden – seit 1980 in einer Parterre-Wohnung der Nassauischen Heimstätten, auf 56 Quadratmetern. „Mit Gasofen im Wohnzimmer und einem Heizstrahler im Bad.“ Längst ist die gebürtige Frankfurterin in Dreieich heimisch geworden. Sie bekommt rund 440 Euro als Rente plus eine Grundsicherung, beziffert ihr monatlich verfügbares Geld mit 311 Euro. Sie sei gewohnt, mit wenig auszukommen. „Zuweilen aber ist es schwer.“ Eine Konstante bleibt trotz allem: „Sechs Euro gebe ich immer dem Tierschutzverein.“

Obwohl unlängst eine Hüftoperation unumgänglich war, fährt sie mit dem Rad regelmäßig zum nächsten Discounter, um „billigste Shampoos, Waschmittel und Lebensmittel“ einzukaufen. Die Entfernung zur Tafel – „eine Stunde Fahrzeit“ – ist der Frau mittlerweile zu weit geworden.

„Heute bin ich zur Ruhe gekommen, die depressiven Phasen werden weniger“, sagt eine, die nur einmal Glück bei der Partnerwahl hatte. Nachdem die Trennung von einem prügelnden Alkoholiker gelungen ist, lernt Margret J. einen Franzosen kennen, „einen feinen Menschen“. Zwei Jahre hält die Beziehung, dann stirbt der Lebensgefährte unerwartet.

Seit 15 Jahren umsorgt die 71-Jährige ihren Kater Felix und zwei ältere Freundinnen, die in der Nachbarschaft wohnen. Viele der früheren Bekanntschaften – „da habe ich schlechte Erfahrungen gemacht“ – sind erloschen, auch der Kontakt zur Tochter ist fast abgerissen. „Meiner Enkelin schreibe ich aber noch.“ Gespräch im Freundinnenkreis, seltene Ausflüge und das Schaufensterbummeln geben dem Alltag Qualität. Am 24. Dezember wird, so die Planung, ein Fläschchen Sekt auf den Tisch kommen, auch ein „mittlerer Christbaum“ soll besorgt und mit „dem Weihnachtsschmuck meiner Mutter“ drapiert werden.

Was die Unterstützung der Altenhilfe anbelangt, ist Margret J. voller Dankbarkeit: „Das Allergrößte!“ Stets legt sie einen guten Teil davon zur Seite, hofft auf einen Moment jenseits aller Zwänge. Die Stadt am Main – „auch wenn Frankfurt nicht mehr das ist, was es einst war“ – lockt noch immer. „Flanieren über das Museumsuferfest“ ist ein Wunsch, der sich im nächsten Jahr in die Tat umsetzen lassen könnte. „Wenn genug gespart ist.“ ov