Bild: Michael Schick

Obwohl sein Gehör nachlässt, muss der 82 Jahre alte Emil D. ohne Hilfsmittel auskommen, denn seine Rente reicht nicht aus, um ein Hörgerät zu bezahlen.

Gerade hat ihm der Arzt eröffnet, dass sein Hörvermögen auf 70 Prozent abgesunken ist. Eine zusätzliche Einschränkung, die das tägliche Leben für Emil D. schwer macht. „Ich brauche ein Hörgerät, kann es mir aber nicht leisten“ , sagt der 82-jährige Eschborner.

Generell kann sich der Mann, dessen 900-Euro-Rente mit 110 Euro an sozialer Grundsicherung aufgebessert wird, kaum etwas leisten. „Ich bin Selbstversorger, mehr schlecht als recht.“

Dauerhafte Gelenkschmerzen lassen das Gehen zur Last werden – dennoch erledigt der ehemalige Journalist alle Einkaufs- und Postgänge noch in Eigenregie. Das verfügbare Geld ist weniger geworden, seit das Wohnhaus, in dem D. zwei Zimmer gemietet hat, vom Eigentümer nach zwei Jahrzehnten aus der Sozialbindung genommen wurde. „Mir bleiben monatlich 300 Euro, um über die Runden zu kommen.“

Mittlerweile lebt der Senior allein, aus dem ehemaligen Bekanntenkreis sind viele Gesprächspartner verstorben. „In Corona-Zeiten haben sich Treffen und Eiscafé-Besuche sowieso erledigt.“

Kontaktfreudig war er stets, musste es als Zeitungsmensch auch sein. Nach einem abgebrochenen Jura-Studium hat er bei der Frankfurter Rundschau unter dem legendären Karl Gerold ein Volontariat angetreten, um fortan in der Außenredaktion Eschborn sein Brot zu verdienen.

Es sind die 70er und 80er Jahre, in denen Emil D. zwei Mal heiratet – aber auch zwei Mal geschieden wird. „Viel auf die Seite legen konnte ich da nie.“ Nach einigen weiteren Jahren als Journalist für die Frankfurter Neue Presse endet der Berufsweg und mündet in Altersarmut.  „Schon mein Vater war Reporter, später auch Kriegsberichterstatter der Wehrmacht.“

Geboren wird Emil D. im alten Königsberg, noch vor Kriegsende 1945 zieht die Familie nach Berlin um – und wird dort ausgebombt. Nach Stationen in Württemberg sei er schließlich im Frankfurter Raum gelandet, so der passionierte Briefschreiber.

„Meine Bücher sind meine Freude.“ Obwohl die Augen schlechter werden, liest D. noch regelmäßig, zieht Romane, Gedichtbände und Fachliteratur aus seinen Regalen. Balzac, Maupassant, Verlaine – „die Franzosen!“ – sind ihm wichtig, spenden tröstliche Stunden.

Daneben wird das Familienarchiv geordnet. „Für meine Enkel schreibe ich auf, was ich erlebt habe.“ Gerne würde er die in Italien lebende Tochter besuchen – „seit 25 Jahren habe ich sie nicht mehr gesehen“ .

Von der Zuwendung der Altenhilfe will sich der 82-Jährige einen neuen Kühlschrank besorgen. Der alte möchte seinen Dienst nicht mehr ordentlich tun. „Das ist mein Weihnachtsgeschenk 2020, dafür bin ich sehr, sehr dankbar.“ Olaf Velte