„Es ist immer schrecklich, (…) aber trotzdem hatten wir noch eine schöne Zeit.“ So berichtet eine Ehrenamtliche des Demenzbereiches des Frankfurter Bürgerinstituts in einem Podcast über ihre ersten Erfahrungen mit einer von Demenz betroffenen Frau.
Der Podcast ist ein in der Pandemie realisiertes Projekt des Instituts und gibt in bisher sechs Folgen unter anderem einen Einblick, wie Menschen mit der Krankheit Demenz ihren Alltag meistern. Der Schwerpunkt der Arbeit des Bürgerinstituts liegt seit Jahren auf Angeboten für ältere Menschen und deren Angehörige. Ein wichtiger Arbeitsbereich widmet sich dabei der Demenz, er wird von Ann-Katrin Adams geleitet.
Die FR-Altenhilfe unterstützt die Arbeit des Bürgerinstituts mit rund 70.000 Euro im Jahr – diese zählt somit zu den umfangreich geförderten Projekten der Aktion. Das Institut bietet unter anderem individuelle Beratungen, mobile Beratungen in einem Bus, der in den Sommermonaten an verschiedenen belebten Orten in Frankfurt Station macht, aber auch Gesprächs- und Bewegungskreise für Betroffene sowie seit 2019 ein Erzählcafé in Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt.
Die Gruppenangebote liegen wegen Corona aktuell aber auf Eis. „Die Menschen fragen uns häufig, wann es wieder losgeht“, sagt Ann-Katrin Adams. Doch die 35-Jährige weiß auch, dass man in dieser Zeit vorsichtig sein muss. So bleibe man wenn möglich über das Telefon in Kontakt. Zum anderen biete man auch mal einen Spaziergang an, damit nicht alle Angebote ausfallen. Das Vertrauen, das zu den Mitarbeiter:innen und Ehrenamtlichen gefasst wurde, soll nicht verloren gehen – das ist nicht leicht, wenn die Betroffenen vergesslich sind.
Doch nicht nur die an Demenz Erkrankten leiden unter der aktuellen Situation. Auch für die Angehörigen ist es schwer. „Viele sind auf eine Zweierbeziehung zurückgeworfen – mit wenigen Impulsen von außen.“ Die Tage müssten nun neu strukturiert, andere Ablenkungen müssen gefunden werden. Eine Belastung für alle Beteiligten.
Wann das Infektionsgeschehen wieder Gruppenangebote ermöglicht, ist schwer zu sagen. Deshalb versuche man auch, per Online-Videochat mit den Menschen in Verbindung zu bleiben. Gespräche und Lockerungsübungen schaffen etwas Ablenkung. Den bereits erwähnten Podcast möchte Ann-Katrin Adams gerne noch um weitere Folgen erweitern. Er soll Außenstehenden helfen, einen Einblick in das Leben mit Demenz zu bekommen. Man sehe, wie vielfältig die Ausprägungen der Krankheit sein können. „Wir können es uns nicht leisten, dort einen blinden Fleck zu haben.“ Durch den demografischen Wandel würden die Fallzahlen in Zukunft steigen.
Auch die Erinnerungskoffer, die durch die Förderung der Familie-Schambach-Stiftung derzeit entstehen, sind ein jüngeres Projekt des Bürgerinstituts. Die Idee habe sich aus den Erzählcafés ergeben, bei denen Alltagsgegenstände aus den 1950er bis 1980er Jahren herumgegeben werden. Diese Objekte von früher erkennen die Betroffenen, verbinden Geschichten oder Erlebnisse damit.
In den Erinnerungskoffern befinden sich genau solche Objekte, um die Menschen mit Demenz zu aktivieren. Es gibt fünf verschiedene Themengebiete (Koffer). Die Erinnerungsstücke sollen in Pflegeeinrichtungen zur Anwendung kommen. Wegen Corona versucht man, das Ganze zunächst durch digitale Schulungen und Fotos der Objekte in die Heime zu bringen.
Wie schwer die Situation gerade ist, berichten Karl und Maria Werner. In Wirklichkeit heißen sie anders. Vor der Pandemie gingen die beiden in den Mousonturm, in die Alte Oper, besuchten regelmäßig Freunde sowie Verwandte und nutzten die Angebote des Bürgerinstituts. „Das hat meiner Frau immer viel Freude bereitet“, sagt der 66-Jährige.
Nun aber fallen die meisten Aktivitäten weg. Seine Frau habe weniger Ablenkung, es sei schwieriger geworden. Die 60-Jährige male Mandalas, gehe zu Therapien. Einkaufen und Spazierengehen sind nicht mehr so leicht, weil immer viele Leute unterwegs seien. „Wir meiden meist den Park.“ Werner versuche, seine Frau so gut es geht zu beschäftigen.
Besonders das Erzählcafé vermisse seine Frau, sagt der Frankfurter. Und auch für ihn selbst sei es ein Verlust. „Das war immer eine Stunde Entlastung, in der man etwa ein Buch weiterlesen konnte.“ Auch der Kontakt und der Austausch mit anderen Angehörigen von Betroffenen fehle jetzt.
2019 erhielt Maria Werner die Diagnose. Erste Aussetzer gab es aber bereits im Dezember 2016. Ihr Mann erinnert sich noch an den Urlaub, wo beide es erstmals bemerkten, weil Maria das Zimmer nicht mehr fand. „Ich habe als Krankenpfleger im Altenheim gearbeitet und viel mit Menschen mit Demenz zu tun gehabt. Aber es ist etwas anderes, wenn es die eigene Ehefrau betrifft. Wenn Sie den Verfall jeden Tag mitbekommen.“ Steven Miksch