Bild: Michael Schick

Dass die Weichen des Lebens oft früh gestellt werden, musste auch Judith P. (Name geändert) erfahren. Die Familiengeschichte habe sie nicht nur zeitweilig suchtkrank gemacht, sondern sie habe sie auch bis heute nicht losgelassen, sagt P.

„Meine Kindheit war nicht schön“, berichtet sie. Ursache war der gegen die Mutter gewalttätige und tyrannische Vater. „Bis heute ist das alles in meinem Kopf“, sagt P. Ihre Altersarmut führt sie ebenfalls zum Teil darauf zurück.

Die 72-Jährige ist in Mittelhessen zur Welt gekommen und aufgewachsen. Nach der Schule und der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau verlässt sie mit 18 Jahren das Elternhaus und zieht nach Frankfurt, wo sie noch heute lebt. „Dort habe ich eine Stelle als Kindermädchen in einem Haushalt angenommen“, erzählt P.

Zwei Jahre später lernt Judith P. ihren Mann kennen, sie heiraten und lassen sich nach einiger Zeit wieder scheiden. Dann lernt sie ihren zweiten Mann kennen, den sie jedoch nach langer Zeit wegen einer tödlich verlaufenen Krankheit verliert. Sie habe ihn bis zuletzt gepflegt und dabei auch gearbeitet.

Für Freunde und Freundschaften schließen habe es in dieser Zeit keine Momente mehr gegeben, bedauert sie. „Das Schlimmste ist die Einsamkeit“, beschreibt P. ihre heutige Situation. Kinder sind aus keiner der beiden Ehen hervorgegangen.

„Ich habe immer gearbeitet“, berichtet die Seniorin. In einer Diskothek, in einem Büro; zuletzt sei sie zwei Jahrzehnte in einem Supermarkt tätig gewesen. Zum Leben bleibe ihr heute dennoch nicht viel – und ohne staatliche Hilfe ginge es gar nicht. „Ich bekomme eine kleine Rente, Wohngeld und sonst gar nichts und bin so dankbar, dass es die FR-Altenhilfe und die vielen Spender gibt“, sagt sie.

Seit 2018 erhält Judith P. von der FR-Altenhilfe zu Ostern und Weihnachten eine Zuwendung. „In diesem Jahr benötige ich unbedingt einen Wintermantel und etwas neue Wäsche“, sagt P. Nachdenklich fügt sie dann aber noch hinzu: „Mir kommen draußen manchmal die Tränen, wenn ich sehe, dass es außer mir so viele arme alte Menschen gibt.“ Detlef Sundermann